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Die wundersame Rettung einer alten Torarolle

Die Geschichte der Thorarolle von 1793

Wenn am Mittwoch im Bundestag der Opfer des Holocausts gedacht wird, spielt auch die älteste Tora Süddeutschlands eine Rolle. Sie ist 228 Jahre alt und stammt aus der Oberpfalz. Ihre Geschichte ist die einer wundersamen Rettung.

Am Mittwoch jährt es sich zum 76. Mal der Tag, an dem die russische Rote Armee das Konzentrations- und Vernichtungslager Auschwitz befreit hat. Der 27. Januar ist seit 1996 der offizielle Holocaust-Gedenktag in Deutschland. In Berlin findet am Mittwoch eine Gedenkveranstaltung im Bundestag statt. Im Anschluss daran liegt eine Torarolle im Andachtsraum des Bundestags aus. Nicht irgendeine, sondern die älteste Süddeutschlands. Eine, die auf wundersame Weise dreimal gerettet wurde – und somit heute der Nachwelt erhalten geblieben ist. Zu verdanken ist dies Elias Dray, dem Rabbiner der israelitischen Kultusgemeinde Amberg. Er hatte sie 2015 im Toraschrein der Synagoge in Amberg entdeckt. Vermerkt waren darauf „Sulzbach“ und die hebräische Jahrszahl 5553. Das bedeutete, dass die Torarolle – 24 Meter lang und 65 Zentimeter hoch – einst im Besitz der bedeutenden jüdischen Gemeinde Sulzbach war. Geweiht wurde sie nach christlicher Zeitrechnung im Jahre 1793.

Restaurierung in Israel

„Sie war in einem sehr schlechten Zustand“, erinnert sich Dray. „Vergilbt, teilweise war das Pergament löchrig.“ In diesem Zustand hätte aus ihr nicht mehr in der Synagoge gelesen werden können. Sie hätte dann, wie dies im Judentum bei nicht mehr brauchbaren religiösen Schriften üblich ist, auf einem jüdischen Friedhof begraben werden müssen. Elias Dray aber brachte die Schriftenrolle nach Israel, um sie restaurieren zu lassen. Geschätzte Kosten: rund 45000 Euro. Da die israelitische Kultusgemeinde Amberg als Besitzerin der Schriftenrolle dieses Geld nicht hätte aufbringen können, übernahm der Bund den größten Teil der Kosten. „Das war enorm viel Arbeit“, sagt Shaul Nekrich über die Restaurierung. Der 41-Jährige ist Rabbiner der jüdischen Gemeinde von Kassel und der einzige Toraschreiber (Sofer) in ganz Deutschland. „Es wäre leichter gewesen, eine neue Torarolle zu schreiben“, weiß er aus Erfahrung.

Zwei Jahre lang hat Isaak Rosengarten die Torarolle aus der Oberpfalz restauriert. Rosengarten, der in der großen orthodoxen Gemeinde Bnei Brak nahe Tel Aviv lebt, ist laut Nekrich ein in Israel bekannter Rabbiner. Shaul Nekrich wird Rosengartens Meisterwerk am Mittwoch vollenden, indem er die letzten Buchstaben der Tora schreibt. Normalerweise geschieht dies im Haus eines angesehenen Mannes, zumeist eines Rabbiners, wie Shaul Nekrich erklärt. Am Mittwoch versammeln sich dafür im Andachtsraum des Bundestags die höchsten Repräsentanten der Republik plus die ranghöchsten Vertreter des Judentums in Deutschland sowie Rabbiner Elias Dray aus Amberg. „Ich schreibe für jede der anwesenden Personen einen Buchstaben“, so Nekrich. Normalerweise sei es so, dass derjenige, für den er den Buchstaben schreibe, die Hand auf seine lege. Wegen Corona sei dies nicht möglich. Stattdessen werden die höchsten Repräsentanten der Bundesrepublik und ihrer Verfassungsorgane – von Bundespräsident Steinmeier und Kanzlerin Merkel über Bundestagspräsident Schäuble bis hin zu Bundesverfassungsgerichtspräsident Harbarth – sowie Josef Schuster, Präsident des Zentralrats der Juden in Deutschland, Gedenktags-Rednerin Charlotte Knobloch und Rabbiner Elias Dray im Abstand von circa zwei Meter von Nekrich entfernt stehen, wenn dieser für sie die Buchstaben schreibt. Es ist ein Akt mit enormer Symbolkraft.

Quelle: www.onetz.de